Dr. Gero Hocker

Torfabbau für Klimaschutz?

Ein Großteil der deutschen Torfabbauflächen befindet sich in Niedersachsen. Darüber hinaus sind sowohl die weiterverarbeitende Industrie sowie die Anwender von Erden und Substraten insbesondere in Norddeutschland angesiedelt. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein gibt es knapp 30.000 Hektar Gemüseanbaufläche mit einer Produktion von knapp einer Million Tonnen jährlichem Ertrag. Das sind fast 30 Prozent der deutschlandweiten Produktion. Nahezu jedes dieser Unternehmen benötigt Pflanzen, die mit torfhaltigen Erden aufgezogen werden. Torf ist ein zentraler Bestandteil von Erden und Substraten für Hobbygärtner und den professionellen Erwerbsgartenbau, zum Beispiel Obst- und Gemüseanbau, Baumschulen und Gartenbau.

Torfabbau und -nutzung sehen sich allerdings dem Vorwurf ausgesetzt, zum menschengemachten Klimawandel beizutragen. In Niedersachsen werden derzeit durch die rot-grüne Landesregierung keine neuen Torfabbaugebiete genehmigt. Das Potenzial für den Torfabbau beschränkt sich somit auf bisher bereits erteilte Genehmigungen und würde so absehbar innerhalb der kommenden zehn Jahre an ein Ende gelangen. Die Industrie teilt das politische Ziel einer signifikanten Torfreduktion und verfolgt dieses seit vielen Jahren selbst. Dabei sind jedoch einige Herausforderungen zu bewältigen.

Torfhaltige Erden können für bestimmte Sonderkulturen nicht adäquat ersetzt werden. Torfreduzierte und torffreie Substrate weisen biologische und chemische Besonderheiten (z.B. stark schwankende pH-Werte, schwer planbare Stickstoff-Immobilisierung und zeitversetzte Nährstoffumsetzung) auf. In rechtlichen Vorgaben wie der Düngemittelverordnung werden diese Besonderheiten zudem nicht ausreichend berücksichtigt. Das erschwert den Einsatz anderer Ausgangsstoffe, zum Beispiel Holzfasern und Rindenhumus, und macht die Nutzung teilweise unmöglich.

Alternativen zur Torfnutzung sind außerdem aktuell nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Um heimische Rohstoffe zu nutzen, setzen die Substrathersteller auf eigene Kompost- und Holzfaseranlagen. Diese haben einen großen Flächenbedarf und es gibt erhebliche Probleme bei den Genehmigungen. Zudem besteht beim Rohstoff Holz ein Wettbewerb mit der Energiewirtschaft. Bestimmte Alternativprodukte kommen aus dem Ausland, etwa Kokosschalen. Durch die für diese Stoffe zurückzulegende Wegstrecke ist die heimische Wertschöpfung auf funktionierende Lieferketten angewiesen. Es besteht in der Branche die Sorge, dass die rohstoffliefernden Länder zukünftig an andere Staaten verkaufen, die neu in die Torfproduktion einsteigen und räumlich näher liegen. Wie anfällig Lieferketten sind, hat sich jedenfalls in den vergangenen Jahren gezeigt.

Der Umstieg auf komplett torffreie Produkte ist deshalb nicht realistisch. Neben der Verfügbarkeit dieser Rohstoffe ist der steigende Preis für die Endprodukte eine Herausforderung. Es stellt sich die Frage, ob der Endverbraucher bereit ist, steigende Preise aufgrund der zunehmenden Rohstoffkonkurrenz zu zahlen. Der politische Anspruch, solch einen Wechsel jetzt herbeizuführen, sorgt deshalb in der Industrie für Unsicherheit und im Zweifel für eine Verlagerung der Wertschöpfung. Schon heute wird ein Teil des in Deutschland verwendeten Torfes vor allem aus den baltischen Staaten importiert. Zu den CO2-Emissionen aus dem Torf kommen zusätzlich die CO2-Emissionen aus dem Transport. Die Versorgungssicherheit für die deutsche Wertschöpfungskette steht damit auf dem Spiel.

Trotz dieser Schwierigkeiten gibt es eine Selbstverpflichtung der Industrie, den Anteil anderer Stoffe in Hobbyerden bis 2025 auf 50 Prozent und bei Substraten für den professionellen Einsatz auf 20 Prozent zu erhöhen. Bis 2030 sollen diese Quoten auf 70 Prozent (Hobbyerden) bzw. 30 Prozent (professionelle Substrate) erhöht werden.

Torf wird in Deutschland nicht unkontrolliert abgebaut. So gibt es klare raumplanerische Vorgaben, in welchen Bereichen und unter welchen Bedingungen Torfabbaugebiete ausgewiesen werden dürfen. Die Torfabbaufläche wird nach dem Abbau zwingend wiedervernässt. Damit wird eine Hochmoorregeneration ermöglicht. Es bildet sich eine potenzielle CO2-Senke. Dieses Verfahren ist seit mehr als 30 Jahren gängige Praxis. Durch die torfabbauenden Unternehmen sind bereits heute mehr als 33.000 Hektar Abbaufläche wieder vernässt worden. Zudem leistet die Torfbranche bei Abbauvorhaben seit 2014 Klimakompensationen, zu denen sie sich selbst verpflichtet hat. Diese Klimakomponente erfolgt zusätzlich zu der gesetzlich vorgeschrieben Wiedervernässung. Die Branche geht hier also deutlich über ihre rechtlichen Pflichten hinaus, um das Klima zu schützen.

Deutschland ist einer der wichtigsten Hersteller von Substraten weltweit. Ein schneller Torfausstieg gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Substrate auf dem inländischen und europäischen Markt. Ein Ausstieg mit Augenmaß fördert dagegen die Innovationskraft deutscher Hersteller und macht heimische torfreduzierte oder torffreie Produkte zu einem Vorbild. Ein weiterer bedeutender Akteur bei der Herstellung der Substrate sind die Niederlande. Hier haben sich Industrie und Politik auf ein abgestimmtes Vorgehen geeinigt, welches für Planungssicherheit sorgt. Dies sollte auch ein Vorbild für Deutschland sein.