Dr. Gero Hocker

Tierwohl marktwirtschaftlich voranbringen

Die aktuelle Misere der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Deutschland ist nicht zuletzt Ergebnis der Politik der vergangenen Jahre, nationale Standards im Vergleich zum EU-Binnenmarkt immer weiter anzuheben. Deutsche Landwirte können deswegen im Wettbewerb mit Produzenten aus dem Ausland nicht mehr mithalten. Die Einführung der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung soll das unter besseren Bedingungen erzeugte Fleisch kenntlich machen. Denn hochwertige Lebensmittel aus heimischer Produktion brauchen endlich mehr Wertschätzung.

Deshalb wollen wir als FDP-Bundestagsfraktion die Tierhaltungskennzeichnung schnellstmöglich umsetzen. Das dafür maßgebliche Tierhaltungskennzeichnungsgesetz wurde in dieser Woche vom Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft beschlossen und soll noch in der ersten Jahreshälfte vom Deutschen Bundestag final auf den Weg gebracht werden. Das staatliche Kennzeichen bringt nach vergeblichen Versuchen in den vergangenen Jahren und staatlichen Alleingängen bei zusätzlichen Auflagen endlich den Einstieg in mehr Transparenz. Es ist die Basis dafür, dass Kunden in den Geschäften die Einhaltung bestimmter Standards erkennen und damit auch honorieren können. Ausreden für Verbraucher, nicht zu entsprechenden Produkten zu greifen, gibt es dann nicht mehr. Ein verlässliches Kennzeichen ist damit die marktwirtschaftliche Grundlage für die Weiterentwicklung der Tierhaltung in Deutschland.

Die FDP konnte in den Verhandlungen erreichen, dass bereits am Markt etablierte Kennzeichen gestärkt werden. Die Tierwohl-Eingangsstufe „Stall plus Platz“ berücksichtigt die bisherigen Anstrengungen der Landwirte und erlaubt einen niedrigschwelligen ersten Schritt hin zu mehr Tierwohl. Die Tierhaltungskennzeichnung bildet so bisherige Bemühungen seitens der Landwirte, etwa im Rahmen der Initiative Tierwohl, ab. Hier haben die Tiere mehr Platz im Stall, der zusätzlich beispielsweise mit Beschäftigungsmaterial und Einstreu strukturiert ist. Deshalb ist es gut und richtig, dass eine Haltungsstufe „Stall plus Platz“ vorgesehen ist, wie es die FDP in den Verhandlungen zum Tierwohl von Beginn an fordert. Andernfalls würde entsprechend erzeugtes Fleisch als gesetzlicher Standard gekennzeichnet und die Erzeugung zwangsweise auf diesen zurückfallen.

Elementare Voraussetzung für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung in Deutschland ist eine Novellierung des Bau- und Immissionsschutzrechts. Erst dann können überhaupt Ställe umgebaut werden. Diese Grundlage wurde in den vergangenen Jahren nicht geschaffen. Sie hätte schon viel früher den Startschuss für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung in Deutschland zu geben können. Denn viele Landwirte haben eigene Konzepte beim Tierwohl und entsprechende Marktsegmente, die sie bedienen wollen. Für die Freien Demokraten war es deshalb eine zentrale Bedingung, dass das Baurecht angepasst und nicht nachvollziehbare Hürden abgesenkt werden: Tierhalter müssen ihren Bestand nun nicht verringern, wenn sie höhere Tierhaltungsstufen erreichen wollen. Diese Regelung wurde als Änderung des Baugesetzbuchs in der aktuellen Plenarwoche als wichtiger Teil des Tierwohlpakets in den Bundestag eingebracht.

Als weiterer Teil des Tierwohlpakets wird noch die Finanzierung zukünftiger Tierhaltung zu klären sein. Sie muss für die Landwirte vor allem verlässlich sein. Landwirte kalkulieren Investitionen in ihren Betrieben wie Stallumbauten mindestens über die Abschreibungsdauer von je nach Stall bis zu 25 Jahren, in der Regel aber weit darüber hinaus. Sie müssen in Generationen denken. Niemand kennt zukünftige politische Mehrheiten und deren Prioritäten. Die Politik der letzten Jahre, nationale Standards im Vergleich zum EU-Binnenmarkt immer weiter anzuheben, hat Landwirte erst in die jetzige Misere gebracht. Warum sollen sie sich zukünftig mehr auf Politik verlassen können? Eine langfristige wirtschaftliche Perspektive kann nur auf marktwirtschaftlicher Basis sichergestellt werden. Die Weiterentwicklung der Tierhaltung in Deutschland muss deshalb durch Nachfrage seitens der Konsumenten gedeckt sein und sich langsam entwickeln. Wir als FDP setzen uns deshalb für eine marktbasierte Lösung im Rahmen eines Fonds ein. Aus diesem Fonds können dann die Landwirte die etwa für den Stallumbau notwendigen Mittel erhalten.