Dr. Gero Hocker

Kinder und Süßigkeiten

Die Entwicklung unserer Lebensmittelversorgung ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte! Während es nach dem Krieg oberstes Ziel gewesen ist, die Ernährungssicherheit sicherzustellen, bieten unsere Supermärkte heutzutage ein nie dagewesenes Warenangebot – insbesondere dank unserer hochproduktiven Landwirtschaft. Und dies zu Preisen, die für alle Einkommensschichten einen Einkauf weit über die Grundversorgung hinaus möglich macht.

 

Noch nie war die Lebensmittelsicherheit, noch nie war die Transparenz darüber, was sich in der Verpackung befindet, so groß wie heutzutage. Der Anspruch von uns Freien Demokraten muss deshalb sein, dass Verbraucher auf Grundlage der umfänglichen Informationen selbstbestimmte Entscheidungen treffen. Dass selbstbestimmt dabei nicht immer gesundheitsbewusst heißt, kann bei Statistiken zum Übergewicht und daraus resultierenden Krankheiten niemand leugnen. Als Liberale gestehen wir Menschen aber auch unvernünftige Entscheidungen zu, solange diese aus freiem Willen erfolgen und Dritten keinen Schaden zufügen. Deshalb werde ich auch künftig kein Problem damit haben, wenn an der Supermarktkasse vor mir Schokolade, Rotwein oder Zigaretten auf das Einkaufsband gelegt werden - auch wenn ich selber gut ohne auskomme.

 

Gleichzeitig geht mit diesem Freiheitsverständnis auch eine Verantwortung für unsere Kinder einher, die ihr Urteilsvermögen erst noch entwickeln müssen. Diesem Umstand will die Koalition Rechnung tragen und deshalb gezielt an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel an unter 14-Jährige in dieser Legislaturperiode einen Riegel vorschieben, damit Kinder ihre Entscheidungsfähigkeit bestmöglich entwickeln können.

 

Einigen geht dieser Vorschlag nicht weit genug. Eine Allianz um foodwatch und den Starkoch Jamie Oliver fordert beispielsweise ein umfassenderes Werbeverbot für TV, Radio und Streamingdienste von 6-23 Uhr, völlig unabhängig davon, ob sich das Programm an Kinder richtet oder gerade der Tatort läuft. Dies wäre nicht nur ein weiterer Eingriff in die Werbefreiheit, er wäre auch einem selbstbestimmten Leben als Erwachsener nicht förderlich. Bildung bedeut auch, Kinder auf das Leben vorzubereiten; ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen; kritisch als Verbraucher und Medienkonsument zu sein und gleichzeitig neugierig auf das Neue. Deswegen bedarf es einer sachgerecht regulierten Werbelandschaft die es gerade Kindern ermöglicht, sich kritisch mit Werbung und Konsum auseinander zu setzen. Ihnen aber zu vermitteln, unsere Gesellschaft wäre „werbefrei“ und ohne „konsumtiven Verlockungen“ wäre geradezu unverantwortlich und gerade nicht vereinbar mit dem Ziel, sie zu mündigen Verbrauchern heranwachsen zu lassen. 

 

Und schließlich besitzen auch Eltern eine besondere Verantwortung. Wenn etwa während der Sportschau eine Werbeeinblendung für eine Süßigkeit erfolgt, könnten Eltern auf die Diskrepanz zwischen sportlichem Erfolg und einer dauerhaft ungesunden Ernährung hinweisen. Jede Konfrontation mit diesen Lebensmitteln bietet auch eine Chance für Eltern, ihre Kinder beim Reifeprozess zu unterstützen, damit sie letzten Endes frei und selbstbestimmt durch diese Welt gehen können.

 

Werbebeschränkungen werden Adipositas und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Kindern nicht überwinden. Untersuchungen zu den Folgen der Corona-Pandemie zeigen die gravierenden Auswirkungen der Schließungen von Sportanlagen und dem daraus resultierenden Bewegungsmangel auf die Gesundheit unserer Kinder. Deshalb werden wir Freie Demokraten uns innerhalb der Koalition weiterhin für Verbesserungen bei Ernährungsbildungs— und Bewegungsangeboten für Kinder als auch Eltern selbst einsetzen, um das Problem tatsächlich an der Wurzel anzugehen. Wer glaubt, diese alleine mit Werbeverboten erreichen zu können, verkennt eine Vielzahl von Faktoren, die die Gesundheit von Kindern noch viel unmittelbarer beeinflussen!