Dr. Gero Hocker

Ampel-Aus ist eine Chance für Deutschland

Zwei turbulente Wochen liegen hinter uns, die auch ohne das Ende der Ampel-Koalition im Bund genug Spannung geboten hätten. Bei der Präsidentschaftswahl in den USA traten mit Kamala Harris und dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump zwei Menschen gegeneinander an, die gegensätzlicher kaum sein könnten. Schon bevor Donald Trump als Gewinner aus der Wahl hervorgegangen ist, war klar, dass das Ergebnis nicht zuletzt auch auf uns in Europa und Deutschland erhebliche Auswirkungen haben könnte. Die zukünftige Wirtschafts- und Handelspolitik – Stichwort Zölle – wird den Wohlstand der Menschen diesseits und jenseits des Atlantiks beeinflussen. Das Vorgehen der USA im Krieg Russlands gegen die Ukraine wird Einfluss auf die gesamte Sicherheitsarchitektur Europas und weltweit haben. Zusätzlich dazu haben wir derzeit nicht zuletzt in unserem eigenen Land mit erheblichen Herausforderungen zu kämpfen, etwa der wirtschaftlichen Rezession und den Folgen sowie der zukünftigen Steuerung der Migration. Eine Klärung innerhalb der Ampelkoalition, mit welchen Rezepten man diesen Herausforderungen stringent begegnen kann, war dringend geboten. Am Folgeabend der US-Wahl fanden dazu Gespräche im Kanzleramt statt. Der Bruch der Koalition ist das Ergebnis der Erkenntnis, dass die Partner keinen gemeinsamen Weg zur Lösung der bestehenden Herausforderungen mehr finden konnten. Statt nun einer gescheiterten Beziehung hinterherzutrauen, ist es vielversprechender, einen Schritt zurückzutreten und die Trennung als Chance zu begreifen für einen Neuanfang, der nicht zuletzt viel Gutes für unser Land bewirken kann.

Deutschland kann den strukturellen Herausforderungen für das Wirtschaftswachstum und die öffentlichen Haushalte nur dann erfolgreich begegnen, wenn es sich wieder auf die ordnungspolitische Tradition der Sozialen Marktwirtschaft besinnt. Unser Land braucht deshalb eine grundsätzliche Neuausrichtung seiner Wirtschaftspolitik. Damit kann das Vertrauen von Unternehmen und privaten Haushalten gestärkt werden, sodass ein sich selbst verstärkender Prozess wirtschaftlicher Dynamik in Gang kommt – und an dessen Ende neue internationale Standortattraktivität für Unternehmen, Kapital und nicht zuletzt die Menschen hierzulande steht. Erfolgreiche Turn-Around-Stories weltweit und der Blick in die deutsche Wirtschaftsgeschichte zeigen: Es geht. Dafür braucht es etwa einen Stopp bei neuen Regulierungen, eine Abschaffung bzw. Erleichterung bei Nachweis- und Berichtspflichten, die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags und Steuersenkungen, das Ende des nationalen Sonderwegs in der Klimapolitik und einen Abbau monetärer Fehlanreize bei Arbeitsaufnahme und -ausweitung. Für eine neue Bundesregierung gibt es in der Wirtschaftspolitik also einiges zu tun. Es gilt, die Chancen für unser Land zu nutzen.

Eine weitere starke Unterstützung der Ukraine ist nicht nur in ihrem, sondern auch im Interesse der Sicherheit ganz Westeuropas. Das stand und steht für uns Freie Demokraten nicht in Frage. Kanzler Scholz hat jedoch diese wichtige Thematik verbunden mit der seiner Meinung nach dafür notwendigen Aussetzung der Schuldenbremse. Dabei hat Christian Lindner als Finanzminister im Rahmen der G7 und der EU mit dafür gesorgt, dass ein internationaler Kredit an die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar so rechtzeitig aufgesetzt wurde, dass er unabhängig von den Wahlen in den USA greift. Darüber hinaus haben wir Freie Demokraten uns seit Monaten für die Lieferung der von der Ukraine dringend geforderten Taurus-Raketen eingesetzt. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand der Sozialdemokraten. Die Behauptung, die FDP wolle die Unterstützung der Ukraine einschränken, ist daher schlichtweg falsch. Vielmehr wollte der Kanzler die notwendige Unterstützung der Ukraine für ein Schleifen der von der Sozialdemokratie gehassten Schuldenbremse missbrauchen, ohne dabei aber auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Ukraine überhaupt einzugehen. Auch in diesem wichtigen Feld muss eine neue Bundesregierung endlich alle Optionen erwägen. Nicht zuletzt in der Frage der weiteren Unterstützung der Ukraine ist übrigens eine Aufrechterhaltung und ein weiterer Ausbau der Beziehungen Deutschlands und Europas zu den USA von entscheidender Bedeutung. Da hilft es nicht, wie viele Akteure dieser Tage eine Verschlechterung geradezu herbeizureden. Vielmehr gilt es nun, alle diplomatischen Mittel bestmöglich zu nutzen, um schlussendlich zu guten Lösungen für die Menschen diesseits und jenseits des Atlantiks zu kommen.

Liberale Demokratien müssen zeigen, dass Migration rechtsstaatlich gesteuert, geordnet und begrenzt werden kann. Die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz für Einwanderung hängt mit politischen Entscheidungen für mehr Ordnung und Kontrolle zusammen Deutschland braucht mehr reguläre Einwanderung in den Arbeitsmarkt und weniger irreguläre Migration von Menschen, die in Deutschland kein Bleiberecht erlangen können. Dazu braucht es eine neue Realpolitik in der Migration. Wir Freie Demokraten wollen Einwanderung im Interesse der Gesellschaft ermöglichen und irreguläre Migration verhindern. Es wäre fatal, die Weltoffenheit Deutschlands aufs Spiel zu setzen. Deutschland ist ein Einwanderungsland und profitiert von Menschen, die sich durch Arbeit und Leistung bei uns eine Zukunft aufbauen und Teil unserer Gesellschaft werden wollen. Diesem migrations- und integrationspolitischen Leitbild sollte sich eine neue Bundesregierung verpflichtet fühlen und entsprechende Maßnahmen stringent umsetzen. Das Ampel-Aus ist in all diesen Politikbereichen eine Chance, zum Wohle unseres Landes die notwendigen Reformen anzustoßen.

Auch für mich persönlich waren die zurückliegenden Wochen spannend und turbulent. Nach meiner Ernennung als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr habe ich mich auf die neue Aufhabe gefreut, die Bahn besser und effizienter zu machen. Denn für die Menschen in Niedersachsen spielt die Eisenbahn eine zentrale Rolle. Mit einer gut ausgebauten Infrastruktur legt der Staat die Grundlage für effiziente Pendlerströme und sorgt für schnelle Verbindungen in Großstädte in- und außerhalb unseres Bundeslandes. Das ist nach meiner Einschätzung besonders wichtig, weil ich in den vergangenen Jahren gerade als Agrarpolitiker ganz unmittelbar die Kluft zwischen Stadt und Land kennen gelernt habe. Es liegt deshalb im Interesse Deutschlands, den Schienenverkehr als wichtigen Teil unserer Infrastruktur weiter zu stärken und gleichzeitig bei Schiene und Straße notwendige Sanierungen und Neubauprojekte zu realisieren - und zwar innerhalb der grundgesetzlich verankerten Schuldenbremse. Gerne hätte ich mich in den kommenden Monaten weiter dafür eingesetzt. Nachdem jedoch das Ende der Ampel aufgrund fehlender gemeinsamer Lösungen für die drängenden Probleme unseres Landes unvermeidbar feststand, stand für mich zu keinem Zeitpunkt in Zweifel, auch durch meinen Rücktritt vom Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs zu einem Neuanfang beizutragen. Diesen braucht unser Land dringender denn je. Nun sind am 23. Februar 2025 die Bürger gefragt, über den künftigen Weg zu entscheiden.