Dr. Gero Hocker

Flächenstilllegung: Kehrtwende in der EU-Agrarpolitik ist überfällig!

Europaweit gehen Landwirte seit Anfang 2024 auf die Straßen. Schlechte Wettbewerbsbedingungen, zu viel Bürokratie, problematische Flächenstilllegungspflichten: Die Sorgen und Probleme der Landwirte in Deutschland, Frankreich, Belgien, Griechenland, Spanien und Italien sind ähnlich. Man muss nicht mit jeder einzelnen Forderung der Demonstranten übereinstimmen, um trotzdem zu dem Schluss zu kommen, dass man sich mit der bürokratieintensiven und an Extensivierung orientierter Landwirtschaftspolitik in ganz Europa keinen Gefallen tut. Die Unzufriedenheit mit vielen Maßnahmenpaketen des Green Deals und der Farm-to-Fork-Strategie ist enorm, und zwar nicht nur bei deutschen Landwirten. Auch in vielen anderen Mitgliedstaaten leiden Landwirte unter mitunter unsinnigen Dokumentationspflichten, Produktionseinschränkungen und zunehmendem Wettbewerbsdruck gegenüber Drittstaaten. Der zusätzliche Mehraufwand bedeutet steigende Kosten, die besonders in Zeiten von Inflation spürbar sind.

 

Erste Anzeichen machen Hoffnung, dass die EU jetzt endlich die dringend erforderliche Kehrtwende vollzieht: Erst wurde Ende 2023 nach massiver Intervention der FDP der Wirkstoff Glyphosat nach jahrelangen Diskussionen um wissenschaftliche Evidenz über seine (Un-)Schädlichkeit für weitere 10 Jahre erneut zugelassen. Mit dieser Entscheidung wurde ein echter Beitrag für Umwelt- und Bodenschutz geleistet und den wissenschaftlichen Empfehlungen gefolgt. Dann wurde der SUR-Vorschlag (Sustainable Use Regulation), mit dem der Pflanzenschutzmitteleinsatz zusätzlich eingeschränkt werden sollte, zunächst vom Parlament abgelehnt und schließlich auch von der weiteren Bearbeitung des Entwurfs seitens der Kommissionspräsidentin abgesehen (mehr dazu: https://gero-hocker.abgeordnete.fdpbt.de/fachgerechten-pflanzenschutz-ermoeglichen). Schließlich lenkt die EU-Kommission endlich auch bei der unsinnigen Forderung nach der Flächenstilllegung ein. All dies fordern wir Freien Demokraten seit Jahren. Diese Entwicklungen für Landwirtschaft in Deutschland sind nur deswegen möglich geworden, weil wir unsere Positionen auch innerhalb der Bundesregierung deutlich adressiert haben und man ihr gefolgt ist. 

 

Das von der EU-Kommission vorgelegte Konzept für Ausnahmen für die in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) festgelegten Stilllegungsverpflichtungen von 4 Prozent der Ackerfläche muss schnell umgesetzt werden. Die meisten Landwirte haben mit ihrer Aussaat fürs nächste Jahr längst begonnen und die einst geforderten Flächenstilllegung in ihren Anbauplan integriert. Wer bei der Frühjahrsbestellung derzeit noch flexibel ist, muss aber endlich wissen, woran er oder sie ist. Die Mitgliedstaaten müssen innerhalb von 15 Tagen der EU übermitteln, ob und wie sie von den getroffenen Ausnahmeregelungen Gebrauch machen wollen. Deswegen muss der Landwirtschaftsminister endlich zügig handeln.

Leider bleibt der Vorschlag noch weit hinter dem zurück, was wir fordern (mehr dazu: https://gero-hocker.abgeordnete.fdpbt.de/wie-du-saest-so-wirst-du-ernten). Insbesondere beabsichtigt die EU-Kommission die Regelung zunächst wiederum nur für ein Jahr aussetzen, anstelle von mehreren Jahren (wie von vielen Mitgliedstaaten gefordert) oder sogar dauerhaft (wie u.a. von uns gefordert). Insofern entstünde mit dem aktuellen Vorschlag für Landwirte nur sehr überschaubar Planungssicherheit. Außerdem ist im finalen Vorschlag nur vorgesehen, dass Landwirte als Alternative zur Stilllegungspflicht stattdessen auch Leguminosen und/oder Zwischenfrüchte (ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln) auf diesen 4 Prozent anbauen dürfen. Ordentlicher Anbau von Feldfrüchte ist somit jedoch nicht vorgesehen.

 

Es sind kleine Schritte, mit denen die EU-Kommission Fehlentscheidungen und fatale Pläne zurückzieht, doch „mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“. Die Proteste aus der Mitte unserer Gesellschaft stärken uns darin, an unseren praxistauglichen und wissenschaftsbasierten Forderungen festzuhalten. 

Wir Freie Demokraten positionieren uns deshalb weiterhin gegen überzogene Maßnahmen wie pauschale Flächenstilllegungen, die wenn überhaupt nur einen sehr überschaubaren Beitrag für Biodiversität und Artenvielfalt leisten. Stattdessen kann sich Landwirtschaft durch den Einsatz von Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und modernen Züchtungsmethoden nachhaltiger, effizienter und fortschrittlicher entwickeln. Kreativität und Erfindungsgeist von Landwirten und Ingenieuren warten nur darauf, politische Unterstützung zu finden. Der politische Handwerkskasten darf nicht nur daraus bestehen, immer kleinteiliger in Betriebsabläufe einzugreifen. Wenn es immer erst zu Protesten, Unruhen oder in manchen Ländern leider sogar zu aggressiven Eskalationen kommen muss, damit sich endlich etwas bewegt, wäre das sehr bedauerlich.