Dr. Gero Hocker

Fachgerechten Pflanzenschutz ermöglichen

Als Teil des Green Deal wollte die EU-Kommission mit der SUR (Sustainable Use Regulation) die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in der EU um 50 Prozent reduzieren und weitere Auflagen für landwirtschaftliche Betriebe einführen. Die SUR-Verordnung wurde nun vom Europäischen Parlament abgelehnt und hat damit kaum noch Chancen, vor der Europawahl im kommenden Jahr erneut eingebracht und beschlossen zu werden. Diese Entscheidung, die maßgeblich auch durch die Liberalen im EU-Parlament zustande gekommen ist, ist ein Sieg für unsere Landwirtschaft, unsere Ernährungssicherung und unsere ländlichen Räume. Denn Umweltschutz und Versorgungsicherheit müssen Hand in Hand gehen. Nicht zuletzt die Folgenabschätzung machte deutlich, dass Einschränkungen beim Pflanzenschutz für einige Kulturen tatsächlich erhebliche Ertragsverluste bedeuten würden. Pauschale Verbote wären deshalb der völlig falsche Ansatz gewesen.

Eine pauschale Reduktion von Pflanzenschutzmitteln ist letztlich immer falsch. Vielmehr muss ihr Einsatz von Landwirten unter ökologischen und ökonomischen Kriterien entsprechend der vorliegenden Bedingungen wie Wetter und Schädlingsdruck geplant werden, wie es auch jetzt gemäß guter fachlicher Praxis schon die Regel ist. Darüber hinaus hätte ein entsprechendes Verbot negative Auswirkungen etwa bei Mulch- und Direktsaatverfahren, die sich aus guten ökologischen und ökonomischen Gründen heute in der landwirtschaftlichen Praxis etabliert haben. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist dabei zur Bekämpfung von Unkraut und Ausfallgetreide unerlässlich. Würde man hier zu häufiger Bodenbearbeitung beziehungsweise zum Pflügen zurückkehren, wäre dies schädlich für die Bodenlebewesen wie Regenwürmer, würde den CO2-Ausstoß in die Höhe treiben und würde die Gefahr von Bodenerosion insbesondere bei Extremwetterereignissen wie Starkniederschlägen deutlich erhöhen. Eine Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Technik und Arbeitsweise findet ohnehin laufend statt. GPS- und sensorgestützte Präzisionslandwirtschaft erlaubt schon jetzt eine teilflächenspezifische Behandlung der Bestände mit Pflanzenschutzmitteln, die mit deutlich weniger Aufwandmenge auskommt. Dieser Fortschritt muss für die Betriebe allerdings auch ökonomisch darstellbar und finanzierbar sein, weshalb eine Integration der Technik in die Betriebe nach und nach sinnvoller ist, als sie mit einer Hau-Ruck-Aktion zu gefährden.

Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Pflanzenschutz-Verordnung sah außerdem vor, dass jeglicher Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Natura-2000-Gebieten, also allen Naturschutz-, Landschaftsschutz-, und Vogelschutzgebieten vollständig verboten werden soll. Dies wäre ein weiterer erheblicher Vertrauensbruch der Politik gegenüber allen Landwirten gewesen, die Flächen in diesen Gebieten bewirtschaften, sowie gegenüber den Flächeneigentümern, die den damit einhergehenden Wertverlust hinnehmen müssten. Bei der Ausweisung der entsprechenden Gebiete wurde den Landwirten zugesichert, dass sie weiterhin unbeeinträchtigt wirtschaften können und keine negativen Konsequenzen zu befürchten seien. Letztlich ist eine weitere pauschale Einschränkung des Pflanzenschutzes in diesen Gebieten auch in der Sache nicht zu begründen, weil der Zweck der Schutzgebiete gerade darin besteht, ihren Zustand zu erhalten, der unter anderem durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung erst entstanden ist.

Bei der Entscheidung über die Wiederzulassung von Glyphosat in der EU haben wir Liberale dafür gekämpft, dass sich Wissenschaftlichkeit durchsetzt. Denn die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat Anfang Juli im Rahmen der routinemäßigen Neubewertung ihre Untersuchungsergebnisse des Pflanzenschutzwirkstoffs vorgelegt. Sie sieht keine Gründe, die gegen eine erneute Zulassung von Glyphosat in der EU sprechen. Die Grünen haben dazu jedoch eine andere Auffassung. Eine Enthaltung Deutschlands bei der Abstimmung auf EU-Ebene war die logische Folge. Dies ist das normale Vorgehen, wenn Koalitionspartner verschiedene Überzeugungen vertreten. Schon die Enthaltung Deutschlands hat allerdings dazu beigetagen, dass es in der EU keine qualifizierte Mehrheit für ein dauerhaftes Glyphosatverbot gab. Weil kein eindeutiges Votum der Mitgliedsstaaten zustande kam, hat die EU-Kommission entsprechend der EU-Regularien dann entschieden, ihren ursprünglichen Vorschlag der Wiederzulassung im Alleingang umzusetzen.

Glyphosat ist einer der am besten erforschten und sichersten Wirkstoffe im Pflanzenschutz. Für die Landwirtschaft hat es in der konservierenden umweltschonenden Bodenbewirtschaftung eine große Bedeutung. So ist pfluglose beziehungsweise bodenschonende Bearbeitung erst durch den Einsatz dieses Wirkstoffs möglich geworden. Statt den Boden mithilfe großen Energieaufwands zu wenden und immer wieder zu bearbeiten, reicht zur Unkrautbekämpfung eine einfache Überfahrt aus. Dies spart unnötige Emissionen und kommt dem Bodenleben zugute.

Der Wirkstoff Glyphosat wird von einigen NGOs und Politikern jedoch missbraucht, um gegen die moderne Landwirtschaft zu Felde zu ziehen. Dabei wurde durch die absichtliche Falschinterpretation von Untersuchungsergebnissen etwa bezüglich des Krebsrisikos von Glyphopsat versucht, faktenfrei Angst in der Bevölkerung zu erzeugen. Wer allerdings politische Entscheidungen auf Grundlage wissenschaftlicher Fakten trifft, für den ist die Wiederzulassung auf EU-Ebene alternativlos. Eine Politisierung wissenschaftlicher Fakten bringt auch für Verbraucher und Umwelt Schaden statt Nutzen.

Das Argument der Grünen, Glyphosat töte bei einer Behandlung alle Pflanzen und sei daher schädlich für Insekten, läuft völlig ins Leere. Wird der durch Ungräser und Unkräuter für die Kulturpflanzen erzeugte Konkurrenzdruck nicht durch Pflanzenschutzmittel reduziert, müssen vermehrte Bodenbearbeitung und etwa im Biolandbau das „Striegeln“ des gesamten Pflanzenbestandes zum Einsatz kommen, um letztlich mit erhöhtem Aufwand das gleiche Ziel zu erreichen. Das ist für bodenbrütende Vögel und andere Tiere oft das Todesurteil.

Die Wiederzulassung des Wirkstoffs auf EU-Ebene muss nun auch in nationales deutsches Recht umgesetzt werden. Denn EU-Gesetze untersagen nationale Verbote von Wirkstoffen, die in der EU eine Genehmigung erhalten haben. Das BMEL muss hier nun zügig für Rechtssicherheit sorgen. Die Entscheidungen zu Glyphosat und SUR zeigen damit, dass Landwirtschaftspolitik auf wissenschaftlicher Basis im Sinne einer guten Nahrungsmittelversorgung möglich ist und sich der Einsatz dafür lohnt.